„In Chancen denken“ – das war das Motto der diesjährigen 26. Engelskirchener Kunststoff-Technologie-Tage vom 15. bis 16. Juni 2023, ausgerichtet von BARLOG Plastics in der Lang Akademie in Lindlar. Die :bergische rohstoffschmiede war mit einem Info-Stand in der Begleitausstellung sowie mit einem Workshop in Kooperation mit BARLOG Plastics zum Thema „Eine regionale Perspektive auf zirkuläre Wertschöpfung im Bereich technische Kunststoffe“ bei den 26. EKTT vertreten.
Ein zentraler Themenstrang beider Konferenztage befasste sich mit strategischen Ansätzen und Erfahrungsberichten dazu, Nachhaltigkeit für die Bereiche Produkt-, Produktions-, Organisations- und Geschäftsmodellentwicklung in die Praxis umzusetzen.
Peter Barlog stimmte die Gäste zu Beginn der Tagung mit einem Mut-machenden Impuls zum konstruktiven und auf die Zukunft ausgerichteten Umgang mit den aktuellen Megatrends Globalisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit ein. Anhand verschiedener Szenarien zu „Nachhaltigkeit 2050“ erläuterte er die Nachhaltigkeitsstrategie seines Unternehmens. Sie ist darauf ausgerichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein und die CO2-Reduktionsziele möglichst ohne Kompensationsmaßnahmen zu erreichen.
Seine Botschaft an das Auditorium: Veränderungen sind langfristig unausweichlich und es ist aussichtsreich, Veränderungsprozesse und herausfordernde Trends als Chancen zu begreifen.
Sein Tipp: Besser frühzeitig kleine Schritte gehen und gegebenenfalls Misserfolge in Kauf nehmen als zu spät große Risiken einzugehen.
Den eigenen unternehmensinternen Nachhaltigkeitsprozess erläuterten Tobias Haedecke und Peter Barlog in einem gemeinsamen Vortrag später anhand von zwei konkreten Entwicklungsprojekten im Unternehmen: der Recycling-Werkstoff KEBALLOY ECO sowie die Dienstleistung der BARLOG ECO-Consulting.
Welchen Wert innovative nachhaltige Kunststoff-Werkstoffe in der Entwicklung von Schlüsseltechnologien beispielsweise bei E-Mobilität oder Energieversorgung haben können, erläuterte Christian Schumacher, ebenfalls BARLOG Plastics am zweiten Konferenztag noch einmal konkreter anhand strategischer Planung sowie konzeptionellem Aufbaus von entsprechenden Produktentwicklungsprojekten.
Aus seiner Sicht bringt das Tun an sich nicht weiter!
Seine Empfehlung: Für nachhaltige Produkt- und Prozessinnovation braucht es eine regelmäßige Strategiearbeit im Unternehmen.
Wenn es im Unternehmen um Überlegungen zu Materialalternativen und Alternativmaterialien geht, so macht es aus Sicht von Dr.-Ing. Michael Bosse, SKZ – Das Kunststoff-Zentrum Sinn, das Produkt als Business Case zu begreifen. In seinem Input teilte er die Erfahrung, dass ein Projekt bspw. zur Produktentwicklung nicht mit der Idee beginnt. Ein Projekt beginnt vielmehr mit der Definition der Aufgabenstellung. Ändert sich beispielsweise die Unternehmensstrategie oder richtet das Unternehmen sein Geschäftsmodell stärker in Richtung mehr Nachhaltigkeit u.a. durch Substitution und Einsatz von Alternativmaterialien, verändert sich entsprechend das Produkt und dessen gesamter bisheriger Business Case.
Seine Erfahrung: Die Suche nach Alternativmaterialien für ein bestehendes Produkt ist eine Sache des Projektmanagement, an dem alle relevanten Unternehmensbereiche wie n der Entwicklung eines neuen Projekts einbezogen sein müssen.
Die Suche nach Alternativmaterialien oder die Entscheidung, bestimmte Zusatzstoffe ganz aus der Produktion zu nehmen setzt zunächst eine Übersicht zum Status quo des aktuellen Produkts voraus. Die Ermittlung eines entsprechenden Product Carbon Footprint im Rahmen einer Analyse des Produktlebenszyklus (Life-Cycle-Assessment) ist ein Instrument dafür, die Umweltwirkungen von technischen Kunststoffbauteilen zu ermitteln und entsprechend zu senken. Dazu stellte Johannes Tietze vom Kunststoff-Zentrum Leipzig in seinem Input Fallbeispiele von entlang der Wertschöpfungskette von Kunststoffbauteilen zu Berechnung und Bewertung des CO2-Fußabdrucks vor.
Wo und wie lässt sich in Sachen Nachhaltigkeit ein substanzieller ökonomischer Gewinn gewährleisten? Für Alexander Hein, Konstruktionsbüro Hein ist dies eine Frage der entsprechenden Gestaltung von Produktentwicklung. Er begreift Nachhaltigkeit nicht als Ziel, sondern als Philosophie. Alle Quellen, die zum Entstehen eines nachhaltigen Produkts beitragen – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem Wissen und ihren Ideen, alle Ressourcen, die dem Betrieb für Produktion und Entwicklung am Standort zur Verfügung stehen sowie alle eingesetzten Rohstoffe, Materialien und Energie – müssen systemisch und zielgerichtet mit einander verbunden und aufeinander ausgerichtet sein. Die entscheidenden Weichen für eine hohe Bauteilequalität werden demnach gleich zu Beginn eines Entwicklungsprozesses während der Produktentwicklung gestellt.
Seine Quintessenz: Nur wer in der Produktentwicklung den kompletten Kreislauf berücksichtigt und diesen hinsichtlich seiner Nachhaltigkeitspotenziale früh analysiert, kann mit entsprechend hoher Bauteilqualität und Prozesssicherheit Gewinn erzielen.
Zum Austausch zu den aktuell größten Herausforderungen sowie aussichtsreichsten Ansatzpunkten für Maßnahmen zu zirkulärer Wertschöpfung im Bereich technische Kunststoffe luden :bergische rohstoffschmiede und BARLOG Plastics in ihrem gemeinsamen Workshop zu Nachhaltigkeit und Innovation: Eine regionale Perspektive auf zirkuläre Wertschöpfung im Bereich technischer Kunststoffe ein. Ausgangsthesen des Einstiegsimpulses von Dr. Bettina Knothe zu zirkulärer Wertschöpfung waren: Bei zirkulärer Wertschöpfung geht es im Kern erstens um die Wahrnehmung und Umwandlung von Reststoffströmen in Ressourcenströme. Zweitens müssen Ressourcen nach Gebrauch möglichst weit an den Beginn von Wertschöpfungsketten zurück gelangen. Der Input entfaltete das Thema zirkuläre Wertschöpfung als eine Strategie für die Klärung und Transformation des Corporate Carbon Footprint eines Unternehmens. Als solches insgesamt Antworten zu finden für den eigenen Weg der Transformation ist eine systemische Aufgabe. Sie setzt am Stoffstrommanagement entlang der Wertschöpfungskette eines Produkts sowie an Unternehmensphilosophie und Organisationsentwicklung gleichermaßen an.
Vor diesem Hintergrund waren die Teilnehmenden im zweiten Teil des Workshops eingeladen, selbst zu votieren, wo aus deren Sicht Herausforderungen und Ansatzpunkte für einen solchen Transformationsprozess liegen.
Herausforderungen wurden mehrheitlich in den Bereichen Gesetzliche Anforderungen, Verfügbarkeit von Recyclaten, Gewährleistung von Material- und Prozesseigenschaften, Technische Sicherheit und Produkteignung im Transformationsprozess gesehen.
Tatsächlich standen bei der Votierung von Ansatzpunkten interaktive, durchaus auch die Grenzen eines Unternehmens überschreitende Aspekte im Vordergrund: Unternehmensintern wurden Geschäftsmodellentwicklung und die Ansiedlung des Themas als Querschnittsaufgabe als zentrale Ansätze für zirkuläre Wertschöpfung bewertet. Unternehmensübergreifend plädierten die Teilnehmenden sehr deutlich für eine Fachaustausch mit anderen Unternehmen, für strategische und Logistikpartnerschaften sowie für regionale Netzwerke, durchaus in Verbindung mit Verwaltungsakteuren, wie beispielsweise den Wirtschaftsförderungen.
Unsere zentrale Erkenntnis: Nur gemeinsam! Zirkuläre Wertschöpfung lässt sich wirksam nur mit der Bereitschaft, über Grenzen hinweg zu denken und mit Kooperation erreichen – innerhalb des Unternehmens zwischen allen relevanten Betriebsbereichen sowie in Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die an dieser Stelle gemeinsam dasselbe Ziel verfolgen – Nachhaltigkeit und den Schutz der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu erhalten und zu sichern.
Ziel der 26. EKTT war es, Fachleuten auch in unsicheren Zeiten entlang der Wertschöpfungskette der Kunststoffindustrie ein Informations- und Kommunikationsforum mit zukunftsweisenden Fachthemen und fachlichem Austausch zu bieten. Die Veranstaltung richtete den Blick darauf, dass sich mit jeder notwendigen Veränderung auch Chancen bieten. Diese gilt es, rechtzeitig zu erkennen und deren Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. In diesem Sinne boten Fachvorträge, Workshops und Fachgesprächen sowie eine Ausstellung mit 40 Unternehmen und Organisationen den Konferenzteilnehmenden eine Fülle von Ansätzen und Strategien, um Geschäftsmodelle zu adaptieren und sich auf die eigenen Stärken zu besinnen.